Unterscheidung unreflektierter und reflektierter Bindungsängstler!
Du fragst dich wahrscheinlich, ob dein Gegenüber Bindungsängstler ist oder nicht. Vor allem, da er/sie dich gerade hinhält. Dabei ist es wichtig, folgendes vorab zu verstehen. Bindungsängstler halten ihr gegenüber meistens hin. Vor allem dann, wenn sie besonders unreflektiert sind. Das heißt, die Frage sollte nicht lauten: “Hat er/sie Bindungsangst ODER hält er/sie mich nur hin”. Viel wichtiger ist, zwischen reflektiertem und unreflektiertem Bindungsängstler zu unterschieden. Auf einen dieser Typen von Bindungsangst möchte ich in diesem Text eingehen. Den unreflektierten Bindungsängstler.
Der unreflektierte Bindungsängstler – Meine eigene Geschichte
In diesem Text möchte ich meine eigene Geschichte als Beispiel nehmen. So kannst du ein besseres Verständnis für das Thema bekommen. Denn ich selbst war einmal ein unreflektierter Bindungsängstler. Ich habe damals meine Partnerinnen sehr oft hingehalten. Es hat Jahre lang gedauert, bis ich verstand, woher dieses Verhalten kam. Erst als ich anfing am Kern des Problems zu arbeiten, änderte sich mein Leben.
Zusätzlich gebe ich dir weiter unten grundlegende Tipps, falls du es mit einem unreflektierten Bindungsängstler zu tun hast.
Meine eigene Erfahrung als unreflektierter Bindungsängstler
Wie zeigte sich meine Bindungsangst in Beziehungen?
Am Anfang lief immer alles gut!
Immer, wenn ich jemanden neuen kennen lernte, war von meiner Bindungsangst nichts zu spüren. In der Anfangsphase war mein Körper voll von Liebeshormonen. Ich hatte das starke Bedürfnis, meine Partnerin oft zu sehen. Wir hatten eine unglaublich gute körperliche Anziehung und sprachen scherzhaft über eine gemeinsame Zukunft.
Rückblickend waren viele dieser Frauen bereit für eine Bindung mit mir. Am Anfang glaubte ich oft selbst daran, eine richtige Beziehung mit ihr einzugehen. Doch dann kam es immer anders. Immer nach einer gewissen Zeit machte ich einen Rückzieher.
Meine Gefühle kehrten sich plötzlich immer um
Meistens, nach einigen Wochen begann ich, Fehler und Makel in ihr zu suchen. Sie war plötzlich nicht mehr gut genug. Ich fand etwas an ihrem Aussehen oder ihrem Körper, das mich störte. Sobald ich an sie dachte, waren plötzlich immer Fehler und Makel mit dabei. Auch an ihrer Persönlichkeit schienen mich auf einmal Dinge zu stören, die mir vorher gar nicht auffielen.
Plötzlich fühlte sich eine Liebesbekundung von ihr an, als wollte sie von mir Besitz ergreifen. Wenn sie nach einem Treffen fragte, brauchte es ewig, bis ich antwortete. Ich bekam ständig das Gefühl, keine Zeit mehr für meine eigenen Dinge zu haben. Wie konnte das sein? Ich hatte doch zuvor alles mögliche unternommen, um Zeit mit ihr zu verbringen?
Ich war ständig unentschieden, ob ich mit ihr zusammen sein will oder nicht
Mit der Zeit wurde die Affäre zu einem inneren Bedrängnis. Nicht zuletzt, da auch sie spürte, wie ich mich immer öfter zurückzog. Immer öfter fragte sie dann, was das zwischen uns eigentlich ist? Da ich meine eigenen Gefühle nicht verstand, konnte ich nie eine klare Antwort geben. Stattdessen wich ich aus und verdrängte das Problem. In meiner ganz frühen Phase als Bindungsängstler ging ich dann feiern. Ich betrank mich und versuchte, den Konflikt zu vergessen.
Auf der anderen Seite verstand ich den plötzlichen Wechsel meiner Gefühle nicht. Ich fragte mich, was mit mir nicht stimmt. Vor allem, da diese Dynamik immer häufiger in meinem Leben auftrat. Über Jahre hinweg kam ich immer wieder an diesen Punkt. Immer waren es diese 3-4 Monate langen Affären, die plötzlich endeten.
Zudem wollte ich an den Gefühlen festhalten, die ich ja ursprünglich für meine Affären hatte. Denn in der Anfangsphase dieser Affären war es immer unglaublich gut. Wir lachten viel, hatten uns endlos zu erzählen und hatten den besten Sex. Ich fragte mich dann immer, wo diese Verbindung geblieben ist.
Mit der Zeit verstand ich, dass sich meine Gefühle immer an einem bestimmten Punkt umkehrten. Nämlich dann, wenn eine richtige Beziehung mit der Person möglich gewesen wäre. Immer dann, wenn die Tiefe und Nähe wuchs.
Das innere Kind war Ursache für meine Bindungsangst
Warum triggerte eine tiefere Nähe Bindungsangst in mir?
Es war für mich anfänglich unverständlich, warum ich immer wieder in diese Situation geriet. Es fühlte sich fast schon wie ein Fluch an. Erst als ich mich mit Innerer-Kind-Heilung befasste, fand ich Antworten. Ich verstand, dass es diese Ängste schon einmal vorher in meinem Leben gegeben hatte. Die immer wieder auftretenden Fast-Beziehungen waren nur ein Trigger. Im Kern kamen die Ängste aus der Bindung, die ich als Kind zu meinen Eltern hatte.
Die Bindung zu den Eltern ist eine besondere Bindung. Diese ist extrem tief und nah. Sie ist die erste langjährige Bindung, die wir im Leben erfahren. In dieser sind wir emotional und materiell vollkommen abhängig von unseren Eltern. Wir werden mit Nahrung, einem Dach über dem Kopf und emotionaler Nähe versorgt. Eine Störung in dieser Bindung bedeutet immer auch eine potenzielle Bedrohung für unser Überleben.
Die Schwierigkeiten, die wir in dieser Bindung erleben, merkt sich unser Unterbewusstsein. Bis ins Erwachsenenalter tragen wir diese Erfahrung in uns. Wenn wir jemanden kennen lernen kommen diese Erinnerungen wieder an die Oberfläche. Manchmal sind wir darauf nicht vorbereitet. Dann handeln wir automatisch, so wie wir als Kinder unseren Eltern gegenüber handelten.
Als ich mir die Muster aus meiner eigenen Kindheit anschaute, machte meine Bindungsangst plötzlich Sinn
Ich hatte an sich sehr liebevolle Eltern. Doch auch sie sind nur Menschen. Sie haben einige Fehler in meiner Erziehung gemacht. Ein Aspekt meiner Erziehung kann das verdeutlichen. Ich wurde von meinen Eltern immer sehr stark zeitlich eingeschränkt. Ich bekam unglaublich viele Aufgaben neben der Schule. Meine Eltern hatten eine Menge Träume, welche sie selbst nie verwirklichen konnten. Diese versuchten sie dann in ihren Kindern auszuleben. In meinem Fall war das die Musik.
Ich musste also ständig bestimmte Leistungen an verschiedenen Instrumenten bringen. Wettbewerbe, ständiger Vergleich und hohe Ansprüche waren an der Tagesordnung. Ich schaffte es kaum hinterher zu kommen. Von früher Kindheit an lernte ich so, mich immer wieder zu überfordern. Ich überschritt meine eigene natürliche Leistungsgrenze regelmäßig. Das führte unter anderem dazu, dass ich extreme Angstzustände im späteren Leben entwickelte. Da war immer dieses Gefühl in mir, dass ich erst eine bestimmte Leistung bringen muss. Erst dann wurde ich von meinen Eltern geliebt und validiert.
Außerhalb der Bindung lernte ich mir Zeit zu geben
Schon als Kind erlebte ich das Gefühl von Freiheit in anderen Bereichen meiner Persönlichkeit. Nämlich außerhalb der Bindung zu meinen Eltern. Beim Fußballspielen mit Freunden, vor dem Computer oder abends mit einem Buch und Süßigkeiten unter der Bettdecke. Dort verlangte niemand etwas von mir. Ich träumte mich weit weg in andere Welten. Dort hatte ich meinen Raum ungeteilt und nur für mich. Dort schien ich mich mehr entfalten zu können.
Das änderte sich, als ich älter und unabhängiger von meinen Eltern wurde. Nun bekam ich die volle Verantwortung für mein eigenes Zeitmanagement. In diesem eigenen Raum fiel es mir leichter, mich frei zu fühlen. Meine Ängste wurden immer weniger. In meinem Unterbewusstsein speicherte sich das ab: “Allein kann ich frei und unabhängig sein.“
Wie meine Affären plötzlich meine Bindungsangst triggerten
Wie gesagt, die Bindung zu unseren Eltern als Kind prägt unser Bindungsmuster im Erwachsenenalter. Immer wenn ich also jemanden kennenlernte, wurde mein kindliches Bindungsmuster getriggert. So zum Beispiel der Teil, der sich ständig überfordert gefühlt hat. Und da ich meine neu gewonnene Freiheit nicht aufs Spiel setzen wollte, blieb ich langfristig lieber allein.
Eine Sache ist dabei wichtig zu erwähnen. Unser Unterbewusstsein ist gut darin, Dinge für uns wie durch Geisterhand zu arrangieren. Bewusst dachte ich, dass ich eine Freundin wollte. Ein Großteil meines Unterbewusstseins handelte dem jedoch entgegen.
Aus diesem Grund zog ich mich auch immer plötzlich zurück. Denn als Kind war Rückzug immer mein Weg in ein Freiheitsgefühl. Auch dass die Liebesbekundungen meiner Fast-Freundin sich anfühlten, als wollte Besitz von mir ergreifen, machte plötzlich Sinn. Die Angst, wieder Leistung bringen zu müssen, bevor ich geliebt werden darf, wurde in mir getriggert.
Was solltest du tun, wenn er/sie dich immer wieder hinhält?
Gehe in die Distanz, wenn er ein unreflektierter Bindungsängstler ist!
Wenn er/sie dich immer wieder hinhält, hat er/sie wahrscheinlich eine unreflektierte Bindungsangst. Leider muss ich dir sagen, dass unreflektierte Bindungsängstler dir langfristig nicht gut tun. Auch ich habe damals viele Herzen verletzt. Auch wenn ich das nicht bewusst tat.
Gehe erstmal in die Distanz und schaue, welche Reaktion von ihm/ihr kommt. Dadurch entlastet du den Bindungsängstler von seinen Angstgefühlen. Er wird wieder anfangen, die Zuneigung und Liebe vom Anfang der Affäre wieder zu spüren. Dann wird er/sie wahrscheinlich wieder sehr stark deine Nähe suchen.
Allerdings kommt es hier sehr häufig zu einem Teufelskreis. Vor allem, wenn du ihm/ihr die Tür einfach wieder aufmachst. Dann kann es sein, dass seine/ihre Bindungsangst einfach wieder anfängt. Oft ist er/sie dann nach wenigen Tagen plötzlich wieder weg. Wenn du merkst, dass diese On/Off Dynamik immer wieder auftaucht, solltest du dich von ihm/ihr lösen. Frage dich, wie es dir damit Jahre später gehen würde. Ich habe einige Klienten, die viel zu spät und emotional traumatisiert aus solchen unsicheren Bindungen wieder rauskommen.